… feiert das offizielle Deutschland am 20. Juli die Helden des Hitler-Attentates und vereidigt dabei gleich noch ein paar Soldaten. Neu ist höchstens, dass diese Stahlhelmträger nicht mehr eingezogen werden, sondern freiwillig einen Vertrag unterschrieben haben.
Soweit dies zu den Attentätern von 1944 auch passen mag, so bezeichnend ist doch für diese Gesellschaft, dass nun gerade diese Gruppierung als das eigentliche Gesicht des Widerstandes herausgestellt wird. Kein Wort von den Leuten, die schon seit 1933 radikal gegen das faschistische Regime kämpften. Das waren ja Kommunisten, linke Sozialdemokraten, Gewerkschafter, nicht linientreue Christen und noch ein paar andere, auch aufrechte Bürgerliche. Die Stauffenberg-Gruppe hingegen hat sich hochgedient im System, ist in führende Ränge aufgerückt. Erst als sichtbar war, dass die hart errungenen Gebietsgewinne dieses Angriffskrieges in Gefahr sind, wollten sie die Reißleine ziehen, um nicht noch mehr zu verlieren.
Antifaschisten? Von wegen. Aufschlussreich ist der Schwur der Verschwörer um Stauffenberg. Darin heißt es: Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf. Die Deutschen schufen also (mit ein klein wenig Erbe) das abendländische Menschentum.
Besonders bezeichnend ist die Aussage: Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge. Naturgegebene Ränge – zurück ins Mittelalter. Demokratie? Um Gottes Willen nein!
Kein Wunder, dass Stauffenbergs Truppe bei den sogenannten Neuen Rechten sehr beliebt ist. Sie wollen doch gar nicht so gern als Nazis gelten, da macht sich Sympathie mit einem Hitler-Attentäter ganz gut. Da er ja sogar in dieser Bundesrepublik jährlich rituell geehrt wird, kann es doch kein richtiger Nazi gewesen sein. Aber auf jeden Fall ein waschechter Nationalist (wovon leitet sich Nazi eigentlich ab?), und noch dazu ein Reaktionär ältester Schule. Nicht so leicht zu verstehen, aber typisch, ist die Bemerkung von Benjamin Jahn Zschocke, einem Autor des Chemnitzer rechtextremen Internetportals Blaue Narzisse nach einer gebetsmühlenartig esoterischen Beschwörung Stauffenbergs:
Sieht man an diesem Tag all die Flaggen vor den Regierungs-, Amts- und Polizeigebäuden, fragt man sich, wie sehr BRD denn ein solches Gedenken ist, wie sehr man sich dann doch an einem der tausend Gedenktage beteiligt, an denen, zumindest indirekt, jeden Tag ein bißchen Hitler ist?
Verstanden? Diese BRD, die nicht nur Stauffenberg ehrt, sondern alles mögliche (nur keine wirklichen Antifaschisten) ist jeden Tag ein bißchen Hitler. In einem Punkt hat der große Denker und Anti-Hitler Zschocke wohl recht: Jedes Jahr am 20. Juli ist diese offizielle BRD tatsächlich ein bißchen Hitler. Nicht weil der Diktator den Anschlag überlebt hat. Sondern weil die Putschisten selbst kaum besser waren.