Die Fieberkurve steigt. Immer unverhüllter fantasieren deutsche Rechte davon, die Macht zu übernehmen. Da Wahlergebnisse wie in Polen oder Ungarn oder auch nur die Prozentzahlen des Front National hierzulande mittelfristig nicht zu erwarten sind, spielt die Option demokratisch zustande gekommener Mehrheitsverhältnisse gar keine große Rolle.
Bürgerwehren, die angeblich für Ordnung sorgen sollen, und Anschläge auf Flüchtlingsheime, also organisierte Unordnung, sind zwei verschwisterte Phänomene. Bei Demos von Gidas und AfD wird vor einem Bürgerkrieg gewarnt, zugleich wird er herbeigeredet. Die Schwelle zur Gewaltanwendung soll permanent sinken. Das wird man ja wohl mal tun dürfen! Tatjana Festerlings Mistgabel-Rede beim Legida-Geburtstag in Leipzig ist nur ein Baustein im Mosaik für ein Szenarium des gewaltsamen Umsturzes.
Ein besonderes Dokument des Willens zur Macht stellt aber die Verfassungsbeschwerde dar, die Sezession-Herausgeber Götz Kubitschek auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Das Konsortium der Beschwerdeführer ist illuster. Neben Kubitschek gehören Compact-Chef und Querfront-Aktivist Jürgen Elsässer sowie Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Landtagskandidat in Sachsen-Anhalt, dazu. Verfasst hat die Beschwerde Karl Albrecht Schachtschneider. Dass der Jurist mal bezahlter Professor für Staatsrecht an einer renommierten Universität des Landes war, muss bedenklich stimmen in Hinblick auf den Nachwuchs dieses Rechtssystems.
Verbunden ist die Klage mit dem Antrag, „den Bundeskanzler“ vom Amt zu suspendieren. Angela Merkel als Kanzlerin zu bezeichnen, ist für Schachtschneider wohl schon Gender-Wahn, passend zu Kubitscheks Formel von der „Entmännlichung“ des deutschen Volkes. Und Vizekanzler Gabriel soll auch gleich abgesetzt werden. Der Antrag ist reine Symbolik. Angenommen, das Verfassungsgericht würde dem zustimmen, könnten natürlich nicht automatisch Bachmann und Festerling als Ersatz in die Ämter nachrücken.
Worauf will dieser pseudojuristische und typisch deutsche Antrag, einen Umsturz durchführen zu dürfen, eigentlich hinaus? Schachtschneider schreibt: „Das gute Leben aller Bürger in Freiheit und Recht wird verlorengehen, wenn die Homogenität der Bürgerschaft als eine der Voraussetzungen der Republik beseitigt wird.“ Ein positiver Effekt der Lektüre des kruden Schriftstückes ist es, endlich wieder mal in des Grundgesetz reinzusehn. Wo steht da bloß etwas von Homogenität der Bürgerschaft als Voraussetzung der Republik? Da wird man wohl bis zu den Nürnberger Gesetzen zurückgehen müssen, um passende Passagen zu finden. Weiß der Professor wirklich nicht, dass die nicht zu den Rechtsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland gehören? Und für seinen Auftraggeber Kubitschek könnte die Wiedereinführung des Ariernachweises problematisch werden, weißt doch sein Nachname wie auch der seiner Gattin auf slawische Ursprünge hin. Jenseits juristischer Spitzfindigkeiten ist der Begriff der völkischen Homogenität auch bei gar nicht mal all zu vertieften historischen Kenntnissen eine Chimäre. Die sich beschwerenden Rechten sollten dazu einfach mal auf die Schweiz schauen, ein Land, das sie in vielem bewundern. Nur homogen ist da bei vier Sprachgruppen gar nichts. Und ist es auch woanders nicht, nicht einsam in so einer entlegenen Insel wie Island, wo sich Inuit und europäische Einwanderer vermischt haben.
Doch sogar Schachtschneider weiß zu differenzieren: „Die Homogenität wird nicht so sehr durch die Freizügigkeit unter den Völkern Europas gefährdet, als vielmehr durch die Islamisierung der Lebensverhältnisse, die mit der Massenzuwanderung aus dem Nahen Osten und aus Afrika verbunden ist.“ Es gibt also Deutsche, andere gerade noch als Menschen geltende Europäer sowie Muslime. Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, steht tatsächlich nicht im Grundgesetz ist. Dass es das nicht ist, aber eben so wenig. Doch für Schachtschneider und seine Auftraggeber kommt es sowieso nicht auf die Frage der Einwanderung an: „Irgendwelche gutmenschlichen Moralismen stehen nicht über den Gesetzen, schon gar nicht über dem Verfassungsgesetz und erst recht nicht über den Verfassungsprinzipien, die nicht einmal zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers stehen. Dazu gehört – ausweislich Art. 1 und Art. 20 des Grundgesetzes – das Deutsche Deutschlands.“ Also: allgemein geltende Menschenrechte versus Deutschtum. „Nicht ein Ausländer, der in Deutschland als »Flüchtling« Aufenthalt sucht, kommt legal ins Land oder hält sich legal in Deutschand auf. Alle sind an der Grenze zurückzuweisen und, wenn sie in unser Land eingedrungen sind, entweder zurückzuschieben oder abzuschieben.“ Bei der NPD heißt das schlicht: Ausländer raus!
Selten war ein Dokument der heutigen Rechten jenseits der NPD derart offen rassistisch und völkisch-national. Selten aber wurde auch so deutlich auf die Option des bewaffneten Umsturzes hingewiesen. Abschließend schreibt der Staatsrechtler: „Gewaltsamer Widerstand soll so erübrigt werden. Er wäre ein Unglück. Ich würde dafür meine Hand nicht reichen.“ Das klingt nach Ultimatum. Entweder die Karlsruher Richter geben uns recht, oder es bleibt nur Gewalt übrig, Dass der 75jährige nicht selbst zur Kalaschnikow greift, ist anzunehmen. Bei der Gefolgschaft seiner „Beschwerdeführer“ kann man sich da nicht so sicher sein.
Götz Kubitschek denkt folgerichtig über das große Ganze nach: „Wir alle haben nicht so sehr Furcht vor dem Maß an Veränderung und Umwälzung, das uns eine Revolte brächte, als vielmehr Angst davor, daß in unserem Volk die Kraft, die thymotische Energie zu einer erfolgreichen Verteidigung des Eigenen nicht mehr ausreiche. Die logos-zentrierte Mäßigung der Deutschen muß ebenso zugunsten einer dringend notwendigen Thymos-Spannung zurückgedreht werden wie die eros-abhängige Konsumzufriedenheit und Verhausschweinung.“ Thymos kann man mit Zorn oder Wut übersetzen. Also: Liebes Fußvolk, haut erst mal drauf, für die Neue Ordnung sorgen wir rechte Intellektuelle dann.
Zwar sind sich die Rechten untereinander noch nicht ganz einig, ob man die Reihen schließen oder besser die Weicheier aussondern sollte. Aber Fakt ist: Wenn das Verfassungsgericht nicht der Absetzung der Regierung zugunsten des Deutschtums zustimmt, dann ist der gewaltsame Widerstand legitimiert.