Was für ein dummer Artikel für eine Zeitung mit einem erarbeiteten Image als intellektuelles Blatt. “Atheisten nerven” nennt er sich. Ausgabe 47/2018, Seite 62. Autor ist Raoul Löbbert. Zunächst gesteht er ein, bei Partys mit unbekannten Gästen nicht gern zuzugeben, Journalist zu sein. Warum eigentlich? Verkehrt er vorwiegend in AfD-Kreisen? Ich habe jedenfalls kein Problem damit, mich als Journalisten zu bezeichnen, auch wenn ich den Beruf nicht erlernt habe. Bei ihm aber kommen die Bauchschmerzen dann wohl daher, dass er ergänzend sagen muss, über Themen wie Katholizismus und Kirche zu schreiben. Damit hätte ich auch ein Problem, nur hat er sich die Themen selbst ausgesucht.
Nun macht ihn wütend, dass er bei dem anwesenden “Heiden” damit auf weitgehendes Unverständnis trifft. Wie bitte? Der Herr Löbbert möchte Spezialist für religiöse Angelegenheiten sein, weiß aber nicht, dass es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Heiden und Atheisten gibt. Heiden sind Gläubige! Nur gibt es für sie eben nicht den einen einzigen Herr im Himmel.
Ich selbst bin Atheist, keinesfalls Heide. Allerdings bezeichne ich mich nicht gern so, weil es doch etwas militant klingt, ich sage lieber konfessionslos. Meine Frau und Tochter sind russisch-orthodox. Mein Bruder hat sich mit 30 katholisch taufen lassen. Seine Frau ist griechisch-orthodox. Zu meinen Freunden gehören weitere Christen diverser Konfessionen, eine Muslima und mehrere gläubige Juden. Kein Problem, solange niemand versucht, mich zu missionieren. Außerdem gehören Atheisten zu meinem Freundeskreis, aber keine Heiden.
Löbbert konstruiert eine offenbar ziemlich große Menschengruppe mit übereinstimmenden Eigenschaften. “So gerne der moderne Atheist nämlich den vernünftigen Kraftmeier und Ratio-Übermenschen mimt: Er interessiert sich nicht für philosophische Theorien und Beweise. Er stellt die Welt nicht infrage. Vielmehr nimmt er sie, wie sie sich ihm darbietet.” Diese Aussagen sind nicht nur dumm, sondern eine ausgesprochene Frechheit. Aus seinen vermutlich besoffenen und bekifften Party-Zufallsbekanntschaften schlussfolgert er messerscharf: Wer heute nicht an Gott glaubt, liest keine Bücher, höchstens die Bild-Zeitung, und glotzt RTL 2. Eine sehr überzeugende Argumentation.
Nur weil man nicht ständig ein Zitat von Spinoza, Hegel oder Nietzsche parat hat, nimmt man die Welt so hin, wie sie ist. Ach so. Ich, der “moderne Atheist”, habe nicht nur diverse Philosophen gelesen (doch nicht auswändig gelernt) und bilde mir außerdem ein, sowohl Bibel als auch Kirchengeschichte besser zu kennen als viele Gläubige.
Dennoch brauche ich dieses Wissen nicht, um Herrn Löbbert von der Nichtexistenz Gottes zu überzeugen. Will ich auch gar nicht. Vielmehr ist er, der religiöse Eiferer, in der Pflicht zu überzeugen. Mir reicht es zu sagen: Es gibt keinen Gott und keine Götter. Deswegen bin ich kein schlechterer Mensch als er. Und ich nehme die Welt auch nicht so hin, wie sie ist.
Raoul Löbbert sollte vielleicht besser ins Kloster gehn als zu Partys und für das Mitteilungsblatt eines Bistums schreiben als für die Zeit.
Leute wie ich nerven ihn. Gut so. Das ist Absicht.
- Ein privates Blog von Jens Kassner zu Kunst, Literatur, Politik, Alltag und anderen Themen
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„So gerne der moderne Atheist nämlich den vernünftigen Kraftmeier und Ratio-Übermenschen mimt: Er interessiert sich nicht für philosophische Theorien und Beweise. Er stellt die Welt nicht infrage. Vielmehr nimmt er sie, wie sie sich ihm darbietet.“ – Eine solche Feststellung würde einen Atheisten niemals so echauffieren, wie o. Kommentator. O. Kommentator ist ja eigentlich gar kein echter Atheist, sondern einfach nur der übliche, landläufige Agnostiker und Liberale. „Mir reicht es zu sagen: Es gibt keinen Gott und keine Götter.“ Ja, anstatt zu sagen: „Ich sage: Es gibt keinen Gott und keine Götter!“, eine durch „mir reicht“ neutralisierte Wischi-Waschi-Wendung. Agnostiker, das sind mässige Menschen, es sind ausreichende Menschen, genügsame Menschen. Agnostiker, das sind die Bourgeois, sowohl im Glauben als auch im Unglauben. Der „für sich“ gläubige Agnostiker ist der Gottesmörder, der „für sich“ ungläubige Agnostiker hingegen, der bringt es nur zur eigenen Entmenschlichung. Der „für sich“ ungläubige Agnostiker kann allein deswegen schon kein schlechter Mensch sein, weil er überhaupt kein Mensch mehr ist. (Ja, ich masse mir an, einem „für sich“ ungläubigen Agnostiker das Menschsein abzusprechen.) Ein echter Atheist weiss, genauso wie übrigens ein Mensch, der wirklich an Gott glaubt: diese mässigen, genügsamen und zufriedenen“für sich-“ Agnostiker sind unzureichend. Es sind „Menschen“, besser: LEUTE, die nicht in der Lage sind, über ihrem Mangel, d.h. das Nichtwissen, zu stehen, diesen folglich auch als Mangel nicht begreifen, sondern sich sogar noch wohl fühlen in ihm. So haben sie ihre eitle Freude am nerven, wissen aber ebenfalls nicht, dass nur nervt, wer auch wirklich nerven kann. Nun ja, die eitle Freude tut´s ja auch, wie jede Art der Selbstbefriedigung. Darum sind ja die Affen auch so sorglos fröhliche Naturen.
P.S.: „für sich“ ungläubige Agnostiker wie o. Kommentator wissen nicht: es gibt einen fundamentalen Unterschied gibt zwischen Atheisten und Agnostikern. Das kann man ihnen nun verübeln oder auch nicht. Aufklärung zwecklos. Trotzdem mache ich Ihnen die Freude, Ihr Gesülz ab und an zu lesen. Gern geschehen und – Frohe Weihnachten!
Da wurde ich aber richtig vorgeführt als “ übliche(r), landläufige(r) Agnostiker und Liberale(r)“. Carlos Wefers Verástegui, ein auf Nationalität stolzer, diese aber nicht klar definieren wollender Rechtsradikaler gibt ansonsten Sätze wie diese von sich: „Kapitalismus ist AUCH eine Wirtschaftsordnung, wenn auch eine Hackordnung, Liberalismus ist naturrechtlich gemildeter Naturalismus, also ein politischer, sozialer und ökonomischer Naturalismus, der noch nicht ganz von allen guten Geister verlassen ist.“ Solch eine Begriffsverwirrung müsste jeden Wirtschafts- und Politikwissenschaftler zum Verzweifeln bringen. Nun aber klärt mich der wo auch immer ethnisch zu verortende Rechtsradikale darüber auf, dass es einen Unterschied zwischen Atheismus und Agnostizismus gibt. Claro que sí. Ich habe den Fehler gemacht, in meiner Entgegnung auf den eifernden Katholiken Raoul Löbbert zu schreiben: „Mir reicht es …“ Ja, bei Partydiskussionen reicht mir das. Für den europaweit bekannten Philosophen Carlos Wefers Verástegui kläre ich deshalb noch mal hier im innerphilosphischen Disput: Es gibt keinen Gott! Und keine heidnischen Götter! Nix da! Leerstelle.
Ich bin zwar Liberaler (meinetwegen ein landläufiger, wenn auch urban verortet), doch kein Agnostiker. Ich weiß, dass Götter Fantasieprodukte sind. So ein Partyverspecher kann doch mal passieren. Bei Ihren Burschenschaftsabenden wird doch auch sicher viel Blödsinn gequatscht, gell?
Trotzdem finde ich es anmaßend, Leuten, die an der Existenz von transzendenten Wesen zumindest zweifeln, das Menschsein abzusprechen. Das tue ich nicht einmal gegenüber Neofaschisten wir Ihnen und Ihren Kumpanen der Blauen Narzisse. Ich spreche Ihnen lediglich die zutiefst menschliche Eigenschaft der Empathie ab. Diese haben sogar Affen und viele andere Säugetiere. Das sind keine „sorglos fröhliche(n) Naturen“, wie Sie meinen. Aber selbst gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse wie die Evolution oder Klimawandel werden von Ihresgleichen ja geleugnet. Das nenne ich wahren Agnostizismus.
Übrigens müssen Sie es sich nicht antun, mein „Gesülz“ zu lesen und dann noch was dazu abzulassen. Sie haben das Recht zu schweigen, alles kann gegen Sie verwendet werden. Ich hingegen werde weiterhin Naziseiten wie BN, Sezession oder Compact kommentieren. Wo ich schon gesperrt bin (wie bei BN, den Verteidigern der Meinungsfreiheit) unter falschem Namen. Solange das überhaupt noch möglich ist vor der „Machtübernahme“ der Braunen. Als Atheist wünsche ich Ihnen keine frohe Weihnachten (Die ganze Geschichte ist Fake!) und auch keinen willkürlich nach einem frühen Papst benannten guten Jahreswechsel. Nö, diese Unaufrichtigkeit ist Lüge. Ich hasse Nazis und werde sie weiterhin mit meinen bescheidenen Mitteln bekämpfen.
Sie sind durchaus Agnostiker, als landläufiger Liberale.
https://www.duden.de/rechtschreibung/landlaeufig.
Ich hasse Sie nicht. Alles, was ich Ihnen bezüglich tue, sind Akte der Nächstenliebe: den Unwissenden unterrichten, den Irrenden leiten, den Blinden führen, den Widerspenstigen bändigen, den Tollen besänftigen usw. Wenn ich z.B. ein bisschen in ihrem winterschlafenen Wespennest herumstochere, so tue ich das auch aus Nächstenliebe, weil ich ja weiss, wie gern Sie das haben, ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen, und sei es von so einem Rechtsradikalen und Neofaschisten wie mir. Was täten Sie ohne uns?
Sylverstergrüsse gestatten Sie mir? Obwohl Sylvester ein Papst ist?