Es ist schon einige Mal vorgekommen, dass mir Bücher zur Rezension zugeschickt wurden, ohne sie angefordert zu haben. Sie kamen aber durchweg von Verlagen, zu deren Produkten ich schon Kritiken geschrieben hatte. Vorige Woche steckte nun ein schmales Päckchen vom Gerhard Hess Verlag im Kasten. Irgendwie kam mir der Name bekannt vor. Beim Nachschauen auf der Website fand ich die Bestätigung, dass es sich um jenen Verlag handelt, der vor zwei Jahren die Anthologie zum Literaturwettbewerb des rechtsradikalen Internetportals Blaue Narzisse herausgegeben hat. Beim Blättern in der Seite stelle ich außerdem fest, dass der Verlag so ziemlich alles verlegt, was sich eventuell verkaufen lässt, von einem Profil ist nichts zu erkennen.
Gesucht Geirrt Gefunden heißt das Buch, das in dem Päckchen war. Geschrieben hat es Stefan Rochow, ein früherer NPD-Funktionär, der zum Katholiken geworden ist. Das nicht gerade überzeugende Image des Verlages sowie die Tatsache, dass ich mit dem Katholizismus nicht viel anfangen kann, sind keine guten Voraussetzungen für eine unbefangene Rezension. Ich bemühe mich trotzdem darum.
Rochow, geboren 1976, erzählt zunächst über seine Kindheit und Jugend in Greifswald, in welche Wende und deutsche Vereinigung hineinfielen. Die evangelische Familie hielt Abstand zum DDR-System. Nach 1990 suchte Rochow zunächst Anschluss bei Freien Kameradschaften, wurde durch deren Primitivismus und Gewaltneigung aber abgestoßen. Nach kurzem, enttäuschendem Interesse für die Republikaner landete er bei der NPD und konnte dort als intelligenter Mensch, der er offensichtlich ist, schnell in Führungspositionen aufsteigen. Er war Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten und Referent in den Fraktionen der Partei in den Landtagen von Dresden und Schwerin.
Ein Vorteil seiner Darstellung ist im Unterschied zu dem in vielen Medien so hochgejubelten Buch Eisenkinder von Sabine Rennefanz, dass er kein kollektives Psychogramm einer ganzen Generation erstellen will nach dem Schema: Wir wurden durch den Umbruch aus der Bahn geworfen, mussten also radikal werden. Stattdessen bleibt er bei seinem persönlichen Lebensweg und betont mehrfach, kein Opfer gewesen zu sein, sondern Täter.
Der eigentliche Vorteil liegt aber in der ungeschminkten Innendarstellung der NPD. Rochow beschreibt interne Flügelkämpfe, die unverhohlene Sympathie vieler Mitglieder für den Nationalsozialismus, krassen Antisemitismus, die Verquickung mit studentischen Burschenschaften, Postengeschacher und die Selbstbedienungsmentalität der sächsischen Landtagsfraktion. Bezeichnend für die politische Professionalität der selbsternannten Interessenvertreter des deutschen Volkes ist auch das komplette Fehlen jeglicher wirtschaftspolitischer Kompetenz. Schon die Abschiebung von rund 15 Millionen „Nichtdeutschen“ ungeachtet der Staatsangehörigkeit wäre katastrophal für die Ökonomie ihres so heiß geliebten Landes, mehr noch aber die Abkopplung von der Weltwirtschaft.
Dass Stefan Rochow früher oder später in dieser Partei keine Zukunft mehr für sich sah, ist verständlich. Seine doch recht abrupte Wandlung zum überzeugten Anhänger von Papst Benedikt XVI überzeugt mich aber nicht gerade. Bezeichnend ist, dass er mit dem evangelischen Glauben seiner Vorfahren nichts mehr anfangen kann. Eine gewisse Neigung zu Ideologien mit Führerprinzip und Absolutheitsanspruch scheint ihm also immanent. Ziemlich naiv muss es darum wirken, wenn er über die Verwerflichkeit von Heilslehren wie Faschismus und Kommunismus philosophiert, aber gleichzeitig den politischen Katholizismus preist und sich dabei auch noch von kritischen Mitgliedern dieser Kirche abzuheben versucht. Das Buch wurde vor dem Rücktritts Benedikts geschrieben. Interessant wäre, was denn Rochow über den neuen Papst denkt, ob er nun vielleicht wieder in Gewissensnöte kommt. Ein echter Gegensatz sind Rechtsradikalismus und christlicher Glaube aber ohnehin nicht. Viele der „intellektuellen“ Rechten, die in Medien wie Sezession und Junger Freiheit publizieren, bekennen sich zum Christentum, nicht aber der viel zu offenen „Käßmannkirche“, statt dessen zu einem „vorkonziliaren“, sprich uneingeschränkt autoritären, Katholizismus.
Die namentliche Nennung vieler NPD-Funktionäre und die Beschreibung ihrer Denk- und Handlungsweisen dürfte für Aufregung in der ohnehin gebeutelten Partei sorgen. Das ist gut so. Zudem gibt Rochow auch Anstöße, sich statt einer einfachen Blockadehaltung genauer mit den internen Widersprüchen der NPD und eventueller Nachfolger zu befassen. Er plädiert, aus eigener Erfahrung, für eine Stärkung von Aussteigerprogrammen. Das hört sich vernünftig an. Allerdings habe ich manchmal den Eindruck, dass es eine tragfähige Karriere sein kann, zuerst als V-Mann in rechten Organisationen viel Geld zu bekommen, und dann als geläuterter Ehemaliger nochmals gefördert zu werden und von Vortrag zu Vortrag, von Diskussionsrunde zu Diskussionsrunde zu reisen. Schwerer scheint es da, gleich draußen zu bleiben oder gar aktiv gegen Nazis einzutreten, speziell in Sachsen.
Stefan Rochow
Gesucht Geirrt Gefunden. Ein NPD-Funktionär findet zu Christus.
Gerhard Hess Verlag Bad Schussenried 2013
244 Seiten, 18,90 €