Als Mitbetreiber eines Geschäfts, dessen Waren durchweg als Fair Wear gekennzeichnet sind, ist es mir ein Bedürfnis, auf den neuesten Artikel von Georg Immanuel Nagel einzugehen. Nachdem der Autor der Blauen Narzisse mir zuletzt durch seine Apologetik ethnischer Homogenität aufgefallen ist, stellt er nun die Frage Wozu Fair Trade? Dass dies für einen Rechten keine rhetorische Frage ist, erscheint naheliegend. Was soll denn dieser Scheiß mit gerechten Austauschbeziehungen?
Eingangs versucht sich Nagel als Satiriker: Die Weißen seien angeblich auf Grund nicht näher erklärter, offenbar gottgegebener „Privilegien“ von Hause aus stinkreich. Zudem würden sie vor allem die Dritte Welt massiv „ausbeuten“. Zur ersten Aussage: Nein, Herr Nagel, es sind keine gottgegebenen Privilegien, die den Reichtum der westlichen Welt begründen, sondern mehr als 500 Jahre Kolonialismus. Wer allerdings den Geschichtsunterricht komplett geschwänzt hat, weil nach übereinstimmender Auffassung der Neuen Rechten in deutschen, wohl auch österreichischen, Schulen (G.I. Nagel ist kein richtiger Deutscher) dort 12 oder gar 13 Jahre lang ausschließlich über den Holocaust gesprochen wird, kann das einfach nicht wissen. Zur zweiten Aussage. Die ironisierenden Anführungszeichen und den Konjunktiv können Sie ruhig weglassen. So wird ein korrekter Satz daraus: Die westliche Welt beutet die sogenannte Dritte Welt nach wie vor massiv aus. Haben Sie irgend welche Belege, dass dies nicht stimmt?
Besonders seien auch alle westlichen Kaufleute böse und würden unredlicherweise „ungerechte“ Preise für die von den zu kurz Gekommenen feilgebotenen Waren zahlen. Ach je, schon das Wort Kaufleute deutet darauf hin, welch altertümliches Weltbild Herr Nagel hat. Da überlegen sich also die Bewohner Afrikas, Asiens, Lateinamerikas, wie sie sich so ein schickes Smartphone kaufen können, beladen ihre Barkassen mit Kokosnüssen, schippern über den Atlantik und müssen dann feststellen, dass sie viel zu wenig dafür erhalten. Wie naiv und/oder ungebildet muss man sein, solch eine Vorstellung vom Welthandel zu haben? So als würden nicht große westliche Konzerne und deren Interessenvertreter in der Politik diktieren, was in der sogenannten Dritten Welt (blöder Begriff nach Wegfall der Zweiten Welt) produziert und gehandelt wird.
Aber da gibt es ja noch die Gutmenschen, die dem entgegenwirken. Dass Schlechtmenschen ihre Feinde als Gutmenschen bezeichnen, spricht schon für sich. Dass dann aber Manager von Aldi oder Breuninger zu Kommunisten mutieren, ist schon bemerkenswert. Laut Nagel sollen Dritte-Welt-Menschen eine Bevorzugung und Besserstellung genießen, sofern sie von Fairtrade profitieren. Recherche könnte helfen. Was haben sogenannte living wages mit Bevorzugung zu tun, weit entfernt von europäischen Mindestlöhnen? Und das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, die Begrenzung der Arbeitszeit oder das Recht auf Tarifabschlüsse? Faitrade versucht, einen winzigen Ausschnitt von Produzentenrechten, die bei uns seit hundert Jahren gelten, für einen bescheidenen Teil von Menschen in schwächeren Regionen zu ermöglichen. Flächendeckend ist das nicht durchsetzbar, zumindest damit hat Nagel recht.
Für ihn ist das aber generell eine Verletzung der Marktgesetze. Stimmt schon. Auch Mindestlöhne, Sozialversicherungen und Verbraucherschutz, sogar Zölle verletzen die Gesetze eines ungebremsten Marktes. Zum Glück.
Für Nagel ist die Sache einfach. Die Bimbos sind selbst schuld an ihrer Armut, da sie es eben nicht hinkriegen, hochwertige Produkte herzustellen, nur primitives Zeugs, das zu Recht so billig gehandelt wird. Wenn jemand in einer Strohhütte haust, dann macht er das, weil er es so will. Seit der europäischen Expansion haben die Weißen alles Mögliche probiert, um in der Dritten Welt Modernisierungen durchzuführen und das Bildungsniveau zu heben. Doch die Erfolge waren meist nur bescheiden und von kurzer Dauer. Wenn ich das als Rassismus erster Güte bezeichne, wird mich wieder ein anonymer Rechtsradikaler der Debilität bezichtigen. Soll er doch.
Bemerkenswert an Nagels Artikel sind neben der sagenhaften Unbedarftheit in ökonomischen Fragen mehrere Dinge. So gibt er in einer selten so klar nachlesbaren Form zu, dass moralische Kategorien für richtige Rechte absolut keine Rolle spielen. Moral ist was für Weicheier. Mit halbwegs (über)lebenswerten Bedingungen in unseren wichtigsten Zulieferländern Fluchtursachen einzudämmen, ist für ihn natürlich kein Thema. Dafür haben die Rechten doch eine einfache Lösung: Grenzen dicht! Zumindest für Menschen, nicht für billige Waren. Und wenn in Bangladesh ein Gebäude einstürzt und mehr als 1000 Näherinnen sterben – so what?
Noch interessanter aber ist sein Bekenntnis zu einem ungehemmten Raubtierkapitalismus. Dass die antikapitalistische Attitüde mancher Neurechter nur Maske ist, wird daran klar sichtbar. Das ist auch erklärlich, haben sie doch keinen plausiblen Kapitalismusbegriff. Vor allem aber schüttet Nagel den romantischen Antimodernismus der intellektuellen Neuen Rechten auch gleich mit in die Gosse. Sein Text ist ein Plädoyer für grenzenloses Wachstum nach dem Recht des Stärkeren. Der selbsternannte Wachstumskritiker Felix Menzel, Herausgeber der Blauen Narzisse, müsste da eigentlich laut aufheulen. Davon ist bisher nichts zu hören.
Für wen werden solche Artikel eigentlich geschrieben? Mehrfach habe ich bei Äußerungen Rechter gehört, dass man die Einwanderung von Völkern mit niedrigem IQ verhindern müsse. Wer so wie ich mehrfach bei Legida auf dem Platz zugehört hat, muss wissen, dass der IQ dort zweifellos niedriger ist als in jedem beliebigen Asylbewerberheim. Doch auch bei den sich so intellektuell gebenden Neuen Rechten kann es zumindest mit der Allgemeinbildung nicht all zu weit her sein. Wer den haarsträubenden Schnulli von Nagel liest und glaubt, damit Erkenntnisse und Argumente gewonnen zu haben, kann jedenfalls nicht sonderlich helle sein.
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