Nach wiederholter Lektüre von Publikationen Felix Menzels, zu denen ich bereits Rezensionen geschrieben hatte, und einiger neuerer Texte, möchte ich nochmal auf einige Passagen seiner all zu knappen Antwort auf meinen Dialogversuch eingehen. Zumindest indirekt mit diesem Artikel, ihn nochmals anzuschreiben halte ich für vergeblich, wenn schon betont sachlich gehaltene Fragen für eine Diffamierung angesehen werden.
In dem von Menzel gemeinsam mit Philip Stein verfasstem Heft Junges Europa steht unter anderem: Ein paneuropäischer Staat auf Grundlage vieler souveräner und weitgehend homogener Völker und Regionen ist ein revolutionärer Gedanke, der in der jüngsten Geschichte bisher nicht realisiert werden konnte. Im Weg standen ihm bisher stets Staatengebilde, die von vielen Konservativen fälschlicherweise als Nationalstaaten gewertet wurden. Sollten die Separationen einzelner europäischer Völker zu einer Kettenreaktion führen, so könnte ein Europa der Regionen zumindest der erste Schritt eines Szenarios des Umbruchs werden.
Allein aus dieser Publikation ließen sich noch etliche Zitate anführen, von Völkern oder Nationen die Rede ist. In seiner Antwort auf meine Fragen aber schreibt er: Zeigen Sie mir mal Essays von mir, wo ich definieren versuchte, was ein Volk/Nation ist. Haben Sie nicht erkannt, daß ich ganz andere Themenschwerpunkte habe? Zu definierten versucht er es eben nicht, darum genau meine Nachfrage. Aber Volk und Nation sind für ihn keine Themenschwerpunkte? Wen will er mit solch einer Behauptung verarschen? Mich oder seine Kameraden? Bei mir funktioniert es nicht. Eine Definition der stets wiederholten Begriffe würde mich schon interessieren, da ich eben gegen einen inflationären Gebrauch dieser Bezeichnungen bin und differenzieren möchte.
Welche Themenschwerpunkte hat er nun nach eigener Aussage? Einwanderungs-, Wachstums-, Globalisierungs- und Medienkritik. Seine Einwanderungskritik kann man mit zwei Worten zusammenfassen: Ausländer raus! Eine seriöse Auseinandersetzung damit ist zwecklos. Medienkritik? Da bin ich mal gespannt auf die Kritik an Medien wie Sezession oder Compact. Auch ich kritisiere Medien, darunter die beiden genannten, des weiteren Blaue Narzisse und Facebook-Accounts von Legida, aber auch ganz anders geartete wie Leipziger Zeitung. Wir sind also Kollegen.
Noch mehr sind wir das bei der Wachstums- und Globalisierungskritik, das ist auch mein Thema. Beide Bereiche möchte ich als ein Thema ansehen, da sie die gleiche Ursache haben. Genau bei der Ursachenforschung fangen aber unsere Differenzen an.
Wer an einer nicht nur die Wirtschaft, sondern das ganze Leben umfassenden Wachstumskritik interessiert ist, tut gut daran, die bekannten, politisch-polemischen Schlagworte „Sozialismus“ und „Kapitalismus“ genauso wie „links“ und „rechts“ zu vermeiden. Das schreibt Menzel als Einleitung eines seiner neuesten Artikel unter der Überschrift Wachstumskritik in der Internetseite Sezession. Als Schlagworte hat er in der Pseudo-Antwort auf meine Fragen auch schon Nazi und Faschismus bezeichnet. Nun ist unter anderem also auch Kapitalismus ein Schlagwort. So geht Wissenschaft von ganz rechts. Bloß nichts definieren, nur rumoren.
Wer Kapitalismus für ein Schlagwort hält, nicht für Realität, muss bei der Wachstums- und Globalisierungskritik von vornherein scheitern. Werner Sombart muss als ein Beleg für diese ökonomisch indifferente Auffassung herhalten. Ein Volk, das keinen besonderen Willen zur Macht hat, wird daher auch eher zu einer Bedarfsdeckungswirtschaft neigen als eines, das imperialistische Ziele durchsetzen will und deshalb auf Gewinnmaximierung und Expansion setzen muß. Der Wachstumsfetischismus geht also vom Charakter bestimmter Völker aus, für Menzel eigentlich kein Thema. Sowieso ist das Quatsch. Einen Schlüssel könnte er bei der von ihm so verehrten Hannah Arendt finden. Sie schreibt in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (Teil 2, S. 250)
Wir haben unter dem Namen Kapital allen Besitz so weitgehend depersonalisiert, daß uns kaum noch bewußt ist, in welchem Ausmaße dieser Verzicht, Reichtum einfach zu verzehren, dem Wesen von Besitz selbst widerstreitet. Damit bezieht sie sich auf den revolutionären Prozess der erweiterten Akkumulation, bei dem ein Teil des erwirtschafteten Gewinns nicht verbraucht, sondern zwingend zur Vermehrung des Reichtums eingesetzt wird. Kapitalismus nennt man dieses Prinzip, dass einen gravierenden Unterschied zu allen vorherigen Gesellschaftsordnungen darstellt. Und das begann nicht mit der Industriellen Revolution um 1800, sondern ein halbes Jahrtausend zuvor ausgerechnet in Regionen, die chaotisch zersplittert waren – Toskana und Flandern. Mit einem Volkscharakter kann das also nicht zu tun haben. Auch nicht mit Webers protestantischer Ethik, beide Regionen blieben katholisch.
Kein Zufall kann es sein, dass sich Menzel ausgerechnet psychologisierende Ansätze zur Wachstumskritik aussucht, die eine Konstruktion völkischer Identität zumindest als These zulassen. Das muss ihm als echten Patrioten zwangsläufig auf die Füße fallen, gehörten doch viele Deutsche zu den Schrittmachern der Wachstumsspirale.
Wie selektiv seine Wahrnehmung durch die nationalistische Brille ist, zeigt auch sein Blick auf Thilo Sarrazin. Während er dessen rassistische Ausfälle in Deutschland schafft sich ab feiert, will er nicht sehen, dass das ganze Buch eine Apologetik von Leistung, Wachstum und Arbeit als Selbstzweck ist. Auch am Programmentwurf der AfD dürfte Menzel eigentlich keine Freude haben, sind doch die wirtschaftspolitischen Passagen neoliberal ausgerichtet. Ob eine Kritik von ihm zu lesen sein wird?
Ich beantworte Ihnen gerne Fragen (z.B. auch zu meinem Essay im Band “Nazivorwurf”), aber Sie müssen mir schon vorher mit Ihren Fragen beweisen, daß Sie an meiner inhaltlichen Arbeit auch wirklich interessiert sind und sich damit beschäftigt haben. Dass ich mich u.a. mit dem sogenannten Essay in Nazivorwurf beschäftigt habe, geht aus meiner Rezension zu der Broschüre hervor. Ich habe den Text nun nochmals gelesen. Da beschreibt jemand, warum er als Teenager rebellieren wollte. Das ist ganz normal. Warum nun aber unter den vielen zur Verfügung stehenden Richtungen der Rebellion gerade die rechtsradikale gewählt wurde, geht aus dem Text nicht hervor. Und das ausgerechnet in der mir sehr gut bekannten Stadt Chemnitz, wo in den für Menzels Sozialisation prägenden 1990er Jahren eine Begegnung mit Fremden, vor denen er so eine panische Angst hat, schwierig war. Welche sinnvollen Nachfragen soll ich denn dazu nochmals stellen?