Heute bekam ich eine Mail, in der ich freundlich gebeten wurde, den Titel einer meiner Artikel zu ändern, da sich die mich anschreibende Firma, so eine Art von Reisedienstleister, die Bild-Text-Marke „StrandGedanken“ hat schützen lassen. Da ich keine Lust habe, neben einem Prozess gegen einen älteren Herrn, der bis vor kurzem mein Arbeitgeber war, weitere Kontakte zur Justiz zu haben, bin ich der Aufforderung nachgekommen. Obwohl fraglich ist, dass eine bloße Überschrift mit einer Bild-Text-Marke kollidieren kann. Auf jeden Fall aber finde ich es zum Kotzen, dass die Sprache zu einer Ware verkommen ist, die häppchenweise verhökert werden darf. Jeder, der will und Knete hat, darf sich Alltagswörter kaufen, die dann der allgemeinen Verwendung entzogen sind. Früher durfte man beim Glücksrad nur einzelne Buchstaben kaufen, selbst die standen aber nachher dem nächsten Kandidaten wieder zur Verfügung.
Angenommen, ein anderes Unternehmen, auf Nachtwanderungen spezialisiert, lässt sich das Wort Nachtgedanken schützen. Dann müssen alle Bücher mit Heines Gedicht eingestampft werden. Denk ich an Deutschland in der Nacht … Einfach nur finster.
- Ein privates Blog von Jens Kassner zu Kunst, Literatur, Politik, Alltag und anderen Themen
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Pingback: trankgeschranken | Jens Kassner
Nein, ich habe nicht Jura studiert. Aber Markenschutz ist doch dazu da, damit ähnliche Namen gekoppelt an ähnliche Produkte nicht zu Verwechslungen führen? Demnach wären ähnliche Namen, aber unterschiedliche Produkte, und ähnliche Produkte, aber unterschiedliche Namen markenrechtlich nicht relevant. Und hier geht es nicht mal um ein Produkt – diese Texte gelten als Kunst und sind FREI.
Strandgedanken als quasi-literarischer Text und Strandgedanken als Reisedienstleister überschneiden sich nicht.
Überdies dürfte das Wort Strandgedanken nicht schützbar sein. Wir alle haben Strandgedanken und das Recht, sie als solche zu äußern.
Als ich Ihre Strandgedanken las, kam mir Sexismus in den Sinn und ich musste schmunzelnd daran denken, wie bereitwillig Sie sich in der Mel-Ramos-Kontroverse auf die Arne-Linde-Seite schlugen, obgleich sie zuvor noch Allen Jones hochgejubelt hatten. Fähnchen im Wind wird als solches leider immer erkannt. Das ist nie gut. Zumal ziemlich klar war, woher der Wind gegen Schmidt wehte und was er mit Ramos zu tun hatte oder eben nicht. Mehr Einwände habe ich nicht gegen Ihre Strandgedanken.
Doch zurück: Es geht nicht um Verwechslungsgefahr, es geht nicht um eine Wortmarke, es geht um eine Wort-Bild-Marke. Schaue ich mir die style.css an, entdecke ich als Vorgabe eine vage „Font-Family“: „Helvetica Neue, Arial, Helvetica, Nimbus Sans L, sans-serif“.
Meiner Hobbyjuristerei nach kann unmöglich auch nur im entferntesten ein Verstoß gegen Markenrecht vorliegen. Eine Wort-Bild-Marke muss grafisch herausragen, hier jedoch herrscht grafische Offenheit. Nichts als heiße Luft also.
Ich sollte meinen Hintern hochkriegen, Jura studieren und mich auf negative Feststellungsklagen spezialisieren. Und zwar gnadenlos, dem Markenterror das Fürchten lehrend.
Ja, ans Werk!
Dies sei *mein* Strandgedanke (sobald es wieder wärmer wird).
PS: Es ging um das große „G“? Das läuft dann unter Analphabetismus, Tippfehler (Bindestrich vergessen) oder Geschmacklosigkeit. Aber markenrechtlich relevant? Nicht im Ernst, oder?
Vielen Dank für die Beratung. Ich sehe es eigentlich genau so, hab aber keine Lust auf eine Auseinandersetzung.
Und wegen der erneuten Anspielung auf Mel Ramos: Ich habe doch schon mal erklärt, dass sich in meinen Texten zu der Ausstellung nicht das Sexismus-Argument findet, sondern dass ich die Ausstellung aus mehreren anderen Gründen kritisiere. Also nichts mit Fähnchen wechseln.
Deine Dystopie erinnert an das Buch „Die große Wörterfabrik “ von Agnès de Lestrade. Hier müssen Wörter gekauft werden, bevor sie überhaupt erst ausgesprochen werden dürfen. Keine Frage, wer in so einer Gesellschaft am meisten plappern kann…
Du kannst ja mal den Mensch fragen, der bei Youtube „Strandgedanken“ auf dem Klavier spielt, ob er_sie auch diesen Brief bekommen hat und sich vielleicht dagegen wehrt?
Ich kenne bisher weder das Buch noch das Youtube-Video, werde aber recherchieren. Danke für die Hinweise.
Tatsächlich, die Autorin des Videos, Katrin Kayser, wurde gleichmaßen zur Unterlassung gedrängt und überlegt nun, ob sie sich auf eine kostenintensive juristische Auseinandersetzung einlässt.